Um ein derart prominentes Spiel wie den Fußball ranken sich automatisch mit den Jahren zahllose Mythen, schon allein deshalb, weil ganz viel Emotionen mit im Spiel sind. Statistiken werden dagegen eher selten gelesen, und mit schnöder Theorie lässt sich ohnehin kein Turnier gewinnen. Es wird also mal Zeit, einen Blick auf die bekanntesten Legenden zu werfen und sie, wenn nötig, zu entmystifizieren: Damit der Fußball wieder auf solidem Rasen rollt.

Mathematik irrt nicht


Ein beliebter Fußballerspruch lautet: „Wer 1:0 führt, der stets verliert.“ In diesem Fall hat sogar ein Mathematiker den Gegenbeweis angetreten: Der math.space-Gründer Professor Rudolf Taschner von der Technischen Universität Tübingen stellte fest, dass eine Mannschaft im Heimspiel, die zu Beginn mit 1:0 in Führung geht, in 93% aller Fälle siegt! Bei einer 2:0-Führung steigt die Gewinnwahrscheinlichkeit bereits auf volle 98%; auf fremdem Platz bringt das 1:0 allerdings „nur“ eine 78%ige Gewinnwahrscheinlichkeit hervor. Damit ist dieser Mythos ganz eindeutig wiederlegt, auch wenn es immer wieder Fußballteams gibt, die gegen jede statische Wahrscheinlichkeit verlieren.

Im Jahr 1995 gab Otto Rehhagel den berühmten Spruch von sich: „Geld schießt keine Tore“, weil er seinen besten Spieler Ciriaco Sforza auch nicht gegen ein Gebot von 20 Millionen Mark hergeben wollte. Was sollte er in der laufenden Saison auch mit einem Haufen Kohle, wenn stattdessen keiner da ist, der den Ball im Tor versenkt? Im Grunde hat der erfolgreichste Trainer des deutschen Fußballs damit mal wieder alles richtig gemacht, doch bei genauerem Hinsehen lässt sich sein Zitat trotzdem wiederlegen. Denn richtig teure Spieler schießen die meisten Tore, und damit lassen sich Siegespunkte tatsächlich ein Stück weit kaufen. Zur Untermauerung: Die bayerischen Spieler besitzen seit Jahren den höchsten Marktwert – und wer bringt die meisten Pokale mit nach Hause?

Elfer-Krimis gehören dazu


Viele Mythen ranken sich auch rund um den finalen Schuss von der Strafstoßmarke, eine davon besagt, dass Deutschland im Elfmeterschießen immer gewinnt. Ob darin ein wahrer Kern verborgen liegt, zeigt sich bei Betrachtung der entsprechenden Statistiken, die die Erfolge (und Misserfolge) unserer Nationalmannschaft klar benennen. Die Quote aus dem Jahr 2016 steht bei 6:1, das heißt, dass unser Team sechs von sieben Elfmeterschießen im Rahmen der EM oder WM für sich entschied. Die deutschen Elfmeterkiller sind also im Stande zu verlieren, wenn auch nur sehr selten. Ebenso ist es unwahr, dass die Engländer auf demselben Gebiet wirklich immer versagen, schließlich erinnern wir uns alle noch an die WM 2018, als Kolumbien den Three Lions im Elfmeterschießen unterlag.

Wer soll nach einem Foul den Strafstoß ausführen? Auf keinen Fall der Gefoulte, so geht die Sage um, sonst klappt es nicht mit dem Tor! Doch das stimmt absolut nicht, so besagt es eine Langzeitstudie, die den Zeitraum von 1963 bis 2005 genauer unter die Lupe nahm. Die gefoulten Torschützen verwandelten ihren Strafstoß zu 72,55% in ein Tor, die anderen Fußballer zu 74,62%. Hierbei handelt es sich um keinen signifikanten Unterschied.
Ähnlich steht es mit dem Sprichwort „Never change a winning team“, denn in der Bundesliga gewinnt die vollständig erhaltene Siegermannschaft das nächste Spiel nur mit 36,6%iger Wahrscheinlichkeit. Wenn ein Verliererteam in der Folgerunde aber wieder unverändert antritt, dann besitzt es eine Gewinnchance von 43,8 %. Diese Schwankung lässt sich kaum noch mit Zufall erklären und verleitet stark dazu, zu glauben, dass eher eine Verlierermannschaft als ein Siegerteam besser unverändert bleiben muss.

Dem Heimvorteil auf der Spur


Dass im Heimspiel das Gewinnen leichter fällt, ließe sich mit psychologischen Argumenten trefflich untermauern, denn daheim fühlt sich jeder Mensch am wohlsten. Und wenn dann noch zahlreiche eigene Fans in den Rängen sitzen und ihr Team kräftig anfeuern, dann sollte es doch mit den Toren klappen – oder etwa nicht? An dieser Stelle müssen wir sagen: Ja, das stimmt! Daheim schießen Fußballmannschaften durchschnittlich 0,7 mehr Tore als auswärts. Das ist zwar nicht unbedingt beeindruckend viel, jedoch durchaus ernst zu nehmen.

Nicht nur Spiele auf fremdem Rasen sollen schwächend wirken, auch eine rote Karte dämpft angeblich die Sieges-Chancen der betroffenen Mannschaft. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung stellte allerdings klar und deutlich fest, dass in 63,9 % der Fälle ein unfreiwilliger Spielerabgang keine besonderen Auswirkungen auf die Moral besitzt. Wenn die rote Karte erst nach der 60. Minute ausgegeben wurde, dann ist der folgenden Spielverlauf sogar noch weniger betroffen.
Nach einer erfolglosen Saison kommt immer wieder dieselbe Diskussion auf: Muss der Trainer gehen, damit es endlich wieder besser wird? Viele vertreten die Meinung, dass dies die unausweichliche Folge sein muss, doch die Statistik besagt tatsächlich etwas anderes: Erfolglose Teams werden normalerweise auch dann nicht besser, wenn sich ein neuer Trainer über sie erbarmt. Schade eigentlich, die Lösung wäre doch so einfach gewesen! Aber vielleicht ist eine Trainerfortbildung eher das Mittel der Wahl, um ein schlagkräftiges Upgrade einzubringen. Auch auf die richtigen Trainingsmethoden kommt es dabei natürlich an. Damit ließe sich eventuell auch Jögi Löw und sein Team wieder auf Vordermann bringen.

Was lernen wir daraus: Festgefügte Denkstrukturen sind nicht immer richtig, auch nicht im Fußball. Manchmal genügt nur etwas Detektivarbeit in den Statistiken, um einen Mythos zu entlarven; nur in sehr seltenen Fällen lässt sich die Legende als wahr bestätigen. Ein Blick hinter die Kulissen wird sich also in der Regel lohnen, um das Fußballweltbild stets der Realität anzupassen.