Im letzten zusammenfassenden Bericht habe ich darüber philosophiert, wer wohl schlecht geschlafen hat und habe mir letztendlich diese Bürde selbst auferlegt. Und tatsächlich war die Nacht auf Montag nicht wirklich lang, weil ich nach dem Tippen des Berichts noch ein Blick auf die Tabelle und den kommenden Spieltag geworfen hatte. Für mich als Werderfan eine in Fleisch und Blut übergegangene Routine. Zu oft lebte ich in den letzten Jahren mit der Abstiegsangst. Aber bis vor ein paar Wochen hatte sich diese Routine ein bisschen gelockert. Die Kälte ließ die Kreisligaspieltage in Serie ausfallen und in der Bundesliga punktete Werder sich aus den tiefen Bundesligaregionen in sichere Gefilde.

Dann endlich startete die Kreisliga wieder durch und nach einer guten Hinrunde, waren wir uns wohl zu sicher mit dem Abstiegkampf bald nichts mehr zu tun zu haben. Doch nach Niederlagen gegen direkte Konkurrenten und insgesamt sechs Partien ohne Sieg kam sie zurück – Die Abstiegskampfroutine. Jeden Sonntagabend Kopfrechnen, Ergebnisse erahnen, Siege herbeiwünschen und auf Niederlagen hoffen. Es hätte so ein entspannter Frühling werden können, aber ich werde diese leidige Routine wohl bis zum Ende der Kreisliga nicht mehr los.

Das wohl einzig gute an einem Spieltag unter der Woche ist wohl, dass man sich bei der Arbeit nicht so viele Gedanken machen kann, aber ansonsten würde ich mir diese Spiele gern sparen (Bastian Vogt, wir verstehen uns). Aber schon im Auto zum Treffpunkt geht es im Kopf wieder los: Tabellenrechner 2.0. Dazu sind die Ausfälle von Calli Wiegand und Serhat Akdas nicht gerade Balsam auf mein angespanntes Gemüht. Anpfiff! Los geht’s!
Das Spiel geht gut los für uns. Über die Flügel, besetzt von Stefan Gebauer und Lukas Goslar, geht heute was. In der Mitte ist immer wieder Marvin Strauß das Ziel, aber in der Anfangsphase fehlt dem Mittelstürmer das Abschlussglück. Das Spiel lebt von Beginn an von der Spannung, aber wir haben den besseren Start und Vincent Rudolph bringt uns in Front. Einen seiner guten Freistöße lümmelt der Innenverteidiger mit viel Effet vom rechten Flügel an der Mauer vorbei ins kurze Eck des spekulierenden Keepers Marius Fischer. Ich freue mich kurz, weil sich die unzähligen Versuche beim Warmmachen doch wieder gelohnt haben. Etwas abseits der Ersatzbank auf einer Treppe des Sportplatzes in Tiftlingerode sitzend verfolge ich den Kampf auf dem Feld. Pferdeberg wird besser und die Freude ist längst wieder Anspannung gewichen. Dann kurz vor der Pause Freistoß für den Gastgeber. Florian Möller stellt die Mauer und plötzlich fliegt der Ball auf das total verwaiste lange Eck. Doch unsere Nummer 1 kratzt den Ball nach spektakulärem Flug von der Linie.

Die zweite Hälfte ist echter Abstiegskampf. Wenig Fußball, aber viele Emotionen. Vor allem von außen wird viel kommentiert. Auf dem Feld ist es immer wieder Alexander Heitmüller, der das Spiel des SCH antreibt. Ob Trainer oder Ersatzspieler, alle bestätigen im Vorbeigehen, dass der flexibel einsetzbare Blondschopf der beste Mann auf dem Platz ist. In der Defensive gewann er Bälle und offensiv war er bei fast jedem Angriff beteiligt. Dabei wurde Alex erst kurz vor Anpfiff für den angeschlagenen Serhat Akdas aus der Abwehr ins Mittelfeld beordert. Der Rest des Spiels zieht fast wie ein Film an mir vorbei, die Spannung ist greifbar. Immerhin schaffen wir es den Ball von unserem Tor fernzuhalten, Abschlüsse landen aber meistens im Gebüsch. Auf der anderen Seite fliegen die Bälle immer wieder hoch in unsere Abwehrreihe, der Druck der Gastgeber steigt. Die Hände immer wieder vorm Gesicht oder Haare raufend sitze ich auf meiner Treppe, ohne von außen Einfluss auf das Spiel nehmen zu können. Dann endlich der Abpfiff. Die Mannschaft, Trainer und SCH-Anhänger freuen sich verständlicherweise ausgelassen, doch wie schon nach dem Sieg gegen Höherberg kann ich mich nicht richtig freuen, sondern bin einfach erleichtert. Kurz abklatschen und dann in die Kabine, vorbei am grinsend filmenden Pressewart. Neben mir sitzt Florian Möller, der in der ersten Halbzeit den Ausgleich mit seinem spektakulären Flug verhinderte und vielleicht habe ich endlich sein Geheimnis gelüftet. Vielleicht ist es der Inhalt der unscheinbaren Verpackung, die ihn zur einzigen Konstanten der letzten Wochen gemacht hat. Auf seinem Handtuch liegt es: Duschgel für Superhelden. Auf dem Etikett fliegt ein supermanähnlicher Held mit Umhang. Fast so wie Florian in der 43. Minute. Das kann doch kein Zufall sein.

Am Sonntag geht es mit dem Bus zum Tabellenprimus nach Hertjershausen. Könnte leichter sein. Erstmal ein Blick auf die Tabelle. Puh! Vier Teams mit 28 Punkten. Neuhof spielt gegen Pferdeberg, da wäre ein bisschen Hilfe der Nachbarn ganz schön. Hahle zu Hause gegen Nikolausberg…ah, diese verdammte Routine! Ich fahr erstmal zu Rossmann.

Marcel Bernhardt

Für den SC spielten: Möller – Giesecke, Panagiotuis, Rudolph, Dierks – Henkel – Goslar (88. Geisler), Heitmüller, Sommerfeld, Gebauer – Strauß

Bank: D. Kajevic, Friedrich, Bernhardt

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