Ein Bild mit Symbol-Wirkung: Zehn Minuten vor Abpfiff verlässt der vielleicht treueste Fan des 1. SC Göttingen 05, die mit schwarz-gelbem Herzen lebende Gerda Brocks, das Maschpark-Stadion. Der Frau, die für ihren Verein ihr letztes Hemd geben würde, ist es angeblich zu kalt an diesem für den neuen Verein mit dem Traditionsnamen so wichtigen Freitag-Abend. Aufgrund ihrer Körpersprache wissen die Beobachter der Szenerie sofort: Sie ist maßlos enttäuscht von der Leistung ihrer Jungs. Der Jungs, für die sie seit Jahren ihren rothaarigen Kopf hinhält, für die sie stolz Prügel von den Fußballexperten bezieht, für die sie jetzt offenbar die Liebe verloren hat…

Der 1. SC Göttingen 05 schickt sich mit seinem Herren-Team an, den direkten Durchmarsch von der Oberliga in die Bezirksliga zu vollenden. Am Freitag-Abend war von der immer wieder beschworenen fußballerischen Qualität des Teams von Trainer Oliver Hille nichts, gar nichts, überhaupt nichts zu sehen. Das Lob, das trotz der Niederlagen gegen die Spitzenteams über der schwarz-gelben Truppe ausgeschüttet wurde, verpuffte in einem leblosen Spiel vor etwa 300 maßlos enttäuschten Zuschauern, die gehofft hatten, zumindest gegen den Tabellenzwölften SC Gitter gelänge der jungen Mannschaft Zählbares. Mitnichten. Der Chronist zählte während der gesamten 90 Minuten nur eine klare Torchance für die Gastgeber, die von Verteidiger Jannis Käding kurz vor Schluss vergeben wurde – sein Ball aus fünf Metern flog zwischen die beiden gelben Stangen, die beim American Football das Goal markieren. Der Rest war Tristesse, vergebliches Bemühen, sich gegen die keineswegs begnadeten Gäste spielerisch durchzusetzen. Zwar besaß das Göttinger Team in der ersten Halbzeit einen Vorteil beim Ballbesitz, doch entsprang diesem kein Chancenplus. Stattdessen kam Gitter bereits im ersten Abschnitt mehrfach gefährlich vor das Tor von 05-Fänger Nils Holzgrefe, der aber immer auf dem Posten war und so einen Rückstand verhinderte. Als beide Teams nach 45 Minuten zum Pausentee verschwanden, hofften die Anhänger des neuen Vereins noch auf eine Wende. Doch als Erik Jaschkowitz in der 50. Spielminute ein Missverständnis zwischen den beiden erfahrensten 05-Akteuren Nils Holzgrefe und Nicola Grimaldi mit einem geschickten Heber zur Gäste-Führung ausnutzte, begann bei den mit viel Zuversicht erschienen Zuschauern das Kopfschütteln. Der Rest der Partie war allgemeine Verunsicherung, Anrennen ohne Plan und System sowie Verzweiflung. Die Angst vor dem Gau, eine Niederlage gegen das ebenfalls nicht zu den Spitzenteams zählende Gitter, lähmte die Aktionen der nie aufsteckenden, aber in ihren Mitteln limitierten 05-Spieler. Nach 90 Minuten verließen die Zuschauer, so sie zu den Anhängern des schwarz-gelben Vereins zählten, ebenso enttäuscht den Maschpark, wie zuvor schon Gerda Brocks. Ob sie wiederkehren, bleibt indes ungewiss.
Die Verantwortlichen des 1. SC Göttingen 05 müssen nun am Samstag tatenlos zusehen, wie der einzig verbliebene Konkurrent um den Klassenerhalt, der TSV Landolfshausen, im Heimspiel gegen den BSV Ölper unter Umständen die nächsten Punkte sammelt. Siegt das Team vom neuen Trainer Ingo Müller, dann besitzt es bereits acht Punkte Vorsprung auf den 1. SC Göttingen 05. In sieben Spielen wäre dieser Rückstand durchaus aufholbar. Mit dem offenbarten Zustand des 05-Teams am Freitag ist dies jedoch unmöglich.


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Zu der schwachen Leistung am Freitag passte die völlig in die Hose gegangene Marketing-Aktion der 05-Verantwortlichen. Großspurig wurde unter „öffentlicher Geheimhaltung“ die Reaktivierung eines Spielers angekündigt. Vielleicht sollten so noch mehr Zuschauer in den Maschpark gelockt werden. Diese wurden dann nicht nur durch die Mannschaft auf dem Platz, sondern auch durch die Meldung, dass es sich bei dem Spieler um Lukas Zekas handelt, enttäuscht. Der 24-jährige galt in seiner aktiven Zeit durchaus als talentiert, hat aber fußballerisch in Göttingen kaum Spuren hinterlassen und dazu, nach Aussagen seines Vaters, des ehemaligen 05-Trainers Arunas Zekas, seit drei Jahren auf keinem Großfeld gestanden. Ihn als Retter oder Verstärkung zu verkaufen, spottet jeder Beschreibung. Es passt in das Bild, das der Verein mit dem Traditionsnamen derzeit abgibt.

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