Seit drei Spielzeiten spielt die Reserve des ESV Rot-Weiß Göttingen immer um den Aufstieg, in der letzten Spielzeit reichte auch eine Sieben-Punkte-Vorsprung zur Winterpause dennoch nicht zum Aufstieg. Jetzt ist die Truppe von Stefan Rümenapf ganz nah dran am Ziel.

„Elf Freunde müsst ihr sein“ stand einst auf dem Pokal, der dem deutschen Fußballmeister als Zeichen des Siegs verliehen wurde. Der Pokal zeigte Victoria, die Siegesgöttin. Wenn diese Binsenweisheit des Fußballs zutreffen würde, wäre das Team der Rot-Weißen ganz oben mit dabei. Dass aber zum erfolgreichen Fußball mehr gehört als ein paar Freunde mit Spaß am Kicken zeichnet sich Woche für Woche in den europäischen Spitzenklassen ab. In den untersten Spielklassen der Bundesrepublik werden Spiele viel mehr zum großen Teil über Siegeswillen, Kampfgeist und die richtige Einstellung gewonnen, ab und zu auch durch wirklich hochklassige Spielzüge und feinen Fußball – und nicht zuletzt entscheidet manchmal auch die Gesamtpromillezahl der Mannschaft über Sieg oder Niederlage.

Im Spiel ESV Rot-Weiß Göttingen II – TSV Bremke/Ischenrode III ging es um viel: die Eisenbahner wollten mit einem Sieg ihre Aufstiegsambitionen untermauern, während Bremke sich mit einem Dreier ihrerseits wieder realistische Hoffnungen auf den begehrten Platz zwei hätte machen können. Das rassige Hinspiel hatten die Bremker zuhause mit 1:0 gewonnen, Rot-Weiß schien weder Mittel noch Wege zu finden, die „alten Hasen“ in Bedrängnis zu bringen. Diesmal sollte es anders werden.

In einer zu keinem Zeitpunkt wirklich hochklassigen Partie begannen beide Mannschaften schnell aber unpräzise, Rot-Weiß hatte in der Anfangsphase einige Standardsituationen, verstand es jedoch wie so oft nicht, diese gewinnbringend zu nutzen. Auch Bremke zeigte, dass sie auf dem Platz sind und setzten unter anderem den schnellen Terzenbach in Szene, der sich jedoch auch nicht mit einem Tor auszeichnen konnte. ESV-Spieler Kyritz zog sich allerdings im Laufduell mit ihm vermutlich eine Zerrung zu und musste nach nur 10 Minuten ausgewechselt werden, für ihn kam Torsten Schad.

Nur zwei Minuten später kombinierte sich Rot-Weißen wunderbar über den auf rechts dribbelnden Dennis Stange in den Strafraum. Stange legte den Ball zurück, wo der von GöKick nach nur einer halben Saison zum Kopf der Mannschaft ernannte Samuel Haile freistehend am Bremker Torwart scheiterte. Christian „Baba“ Wegener konnte jedoch mit seinem schwachen linken Fuß zum 1:0 einschieben.

In der Folgezeit entwickelte sich ein ansehnliches Spiel mit vielen Standardsituationen auf beiden Seiten, von der jedoch keine in ein Tor umgewandelt werden konnte. Haile (25.) und D. Elges (31., 35.) verfehlten das Ziel jeweils knapp. Auch ein Freistoß aus aussichtsreicher Position für Bremke von halbrechts brachte nichts mehr ein und so ging es mit einem insgesamt verdienten 1:0 in die Halbzeit.

Zur Pause brachte Stefan Rümenapf erneut Dennis Stange, der sein Pulver noch nicht verschossen zu haben schien.

Die zweite Hälfte fing an, wie die erste endete: mit einem ergebnislosen Eckball. Insgesamt kamen beide Mannschaften gut aus der Halbzeit, der seit Wochen in Topform agierende Kelmend Saciri im Abwehrzentrum von Rot-Weiß zeigte heute einmal mehr seine Klasse, als er den Gegner immer wieder unter Druck mit findigen Körpertäuschungen vernaschte. An ihm war auch heute kein Vorbeikommen – und wenn doch, dann parierte Bodenburg im Tor der Eisenbahner mal eben lässig mit einer Faust – so geschehen in der 61. Minute, als Bremke die dritte Ecke hintereinander aufs Tor brachte. Beim darauffolgenden Eckballversuch war Bodenburg allerdings schon geschlagen, doch ein rot-weißer Kopf kratzte den Ball gerade noch von der Linie. Augenzeugen munkeln, Horst Hrubesch sei nach dem Spiel gesichtet worden sein. Der Adrenalinpegel stieg, doch das Spiel blieb von beiden Seiten fair. Stefan Rümenapfs Stimme unterschritt nur noch selten die 120-Dezibel-Marke, einige Spieler schauten verdutzt in den Himmel auf der Suche nach einem Überschallflugzeug – dabei hatte sich der Trainer nur geräuspert. Apropos Horst Hrubesch: in der 70. Minute gelang Bremke fast ein wunderschönes Eigentor, als der Bremker Torwart bei einer verunglückten Kopfballabwehr eines seiner Verteidiger nur noch hintergucken konnte. Der Ball flog am rechten Pfosten vorbei. Die folgende Ecke brachte freilich nichts ein. Nur vier Minuten später hatte Dennis Stange die Entscheidung auf dem Fuß, stand alleine vor dem gegnerischen Towart und schoss diesen an. Blankes Entsetzen auf der Bank. Rümenapf zertrümmerte Glasscheiben – nur mit seiner Stimme.

Als Stange dann in der 89. Minute doch alles richtig machte, gab es kein Halten mehr bei den Zuschauern und Fans der Rot-Weißen, die sich zu einem großen Teil auch aus dem stattlichen Lazarett der Eisenbahner rekrutierten. Für die Form: die klasse Vorarbeit zu diesem hrubschesken Kopfballtraumtor lieferte übrigens der heute eher blasse Samuel Haile, der aufgrund seiner durschschnittlichen Leistung nun eine Kiste ausgeben muss. Kurz darauf war Feierabend, doch so recht gefeiert wurde noch nicht.

Rot-Weiß hat jetzt acht Punkte Vorsprung auf einen Nicht-Aufstiegsplatz, neun Punkte sind noch zu vergeben. Dass so etwas auch schief gehen kann, dafür gibt es in der Welt des Fußballs Belege genug. Doch fest steht: heute haben „elf Freunde“ die Weichen zum Aufstieg gestellt. Jetzt gilt es, die Eisenbahn auf den Schienen zu halten – gegen Weende IV, Sparta III und Hainberg V.