Nach dem 2:0-Sieg am 15. September war Hannover 96 für zwei Tage lang Tabellenführer der Fußball-Bundesliga. Am Donnerstag, nur sechs Tage später, jährt sich das letzte Aufeinandertreffen der Roten mit dem 1. SC Göttingen 05 in einem Punktspiel auf dem Rasen des Niedersachsenstadions zum zwanzigsten Mal. Am 21. September 1997 verlor das schwarz-gelbe Team in der Regionalliga-Nord – damals gab es noch keine Dritte Liga – unter der Leitung von Trainer Thomas Hellmich zweistellig mit 0:10. In der damaligen 96-Elf stand mit Dieter Hecking der aktuelle Gladbach-Trainer. Auf Seiten der von Hellmich als „Team aus Freizeitfußballern und Studenten“ bezeichneten Göttinger Mannschaft standen mit Norbert Fritsch und Kirjan Krauß auch zwei Spieler, die noch heute im stolzen Alter von über 40 dem runden Leder nachjagen.

Beide Teams entwickelten sich anschließend in unterschiedliche Richtungen: Während Hannover 96 inzwischen erfolgreich in der Bundesliga spielt, stieg Göttingen 05 nach der Saison ab und wurde sechs Jahre später aus dem Vereinsregister gestrichen. Auch der namensgleiche Nachfolge-Verein sucht seit seiner Gründung vergeblich den Erfolg und spielt inzwischen in der Bezirksliga.

Die Aufstellungen am 21. September 1997:
Hannover 96: 96: Sievers – Ernst – Dworschak, Linke – Fischer (67. Gärtner), Milovanovic, Dietrich, Brezina, Addo (46. Bicici) – Asamoah (46. Kovacec), Hecking;
Göttingen 05: Jan Hessing – Norbert Fritsch, Stefan Gähle, Johannes Graefe, Dr. Florian Köther – Franz Kari, Kirjan Krauß, Ayhan Piril, Mark Schmitz, Dirk Hipperling, Jörg Meissner.

Tore: 1:0 Linke (14.), 2:0 Addo (16.), 3:0 Hecking (20.), 4:0 Asamoah (24.), 5:0 Milovanovic (31., Handelfmeter), 6:0 Linke (37.), 7:0 Hecking (52.), 8:0 Linke (53.), 9:0, 10:0 Kovacec (56., 72.) – Zuschauer: 5.048

Ein Video vom Spiel:

Artikel aus der Neue Presse am 22.09.1997:
Ramba-Zamba im Zehlerpack
96-Fans einig: „Claassen raus“

Die 96-Fans fanden das Treiben auf dem Rasen nur noch schön. „Karneval in Hannover“, besangen sie beglückt den 10:0-Triumpf gegen Göttingen 05. Das war der höchste 96-Erfolg seit Bestehen der Bundesliga 1963.
Daß in Hannover närrische Zeiten herrschen, zeigte sich auch daran, daß der vom Vorstandschef mit Hausverbot belegte Franz Gerber fünf Plätze neben Utz Claassen auf der VIP-Tribüne saß. Der von Morddrohungen überhäufte Vereinsboß besuchte erstmals nach dem Pokalsieg gegen Mönchengladbach am 15. August wieder das Niedersachsen-Stadion.
Dem von Leibwächtern beschützten Claassen mag gefallen haben, was er auf dem Rasenrechteck sah – wohl weniger, was er hörte.
„Claassen raus“, riefen nicht nur die Fans von den billigen Stehplätzen aus der Kurve, sondern auch die von teuren Sitzplätzen der Gegengerade. Sogar auf der VIP-Tribüne gab es Buh-Rufe, als sich Claassen zeigte.
Franz Gerber dagegen mußte viele Hände schütteln. Er plauderte mit DFB-Vize Engelbert Nelle, OB Herbert Schmalstieg und Mercedes-Chef Harrald Wendt. Auch Hörgeräte-Unternehmer Martin Kind, der als neuer Vorstandschef kandidieren will, saß im Stadion. Wie auch Wolf-Günther Wiesel. Der Ex-FIFA-Schiedsrichter bewirbt sich um einen Platz im Aufsichtsrat.
„Gerber, wir danken dir“, feierten die Fans immer wieder den Ex-Manager. Die von ihm verpflichteten Spieler verzauberten das Publikum. Stadionsprecher Christian Brunz freute sich über „Ramba-Zamba in Hannover“. Einen Tag nach seinem 32. Geburtstag machte sich Carsten Linke dabei das schönste Geschenk. Der Manndecker erzielte drei Treffer. Wie Linke haben auch die Stürmer Vladan Milovanovic und Kreso Kovacec fünf Treffer in dieser Saison erzielt.
Das Göttinger „Team aus Freizeitfußballern und Studenten“, wie Trainer Thomas Hellmich meinte, war hoffnungslos unterlegen und ab der 31. Minute auch noch in Unterzahl. Thomas Fritsch sah Rot, weil er auf der Torlinie Handball spielte. Den Elfmeter nutzte Milovanovic zum 5:0.
Zur Halbzeit wechselte Fanz Otto Addo und Gerald Asamoah aus, um sie fürs Pokalspiel am Mittwoch (19.30 Uhr) gegen 1860 zu schonen. Hakan Bicici und Kreso Kovacec kamen ins Spiel. In der 73. Minute köpfte Kovacec das zehnte Tor – der höchste 96-Sieg war perfekt.
„Das war beste Werbung fürs Spiel gegen die Löwen“, freute sich der 96-Trainer. Reinhold Fanz hofft, daß „wir da vielleicht eine Sensation schaffen können“. Am Mittwoch beginnen die drei entscheidenden Tage bei 96. Erst gibt’s den Pokalknüller. Mit einem Erfolg kann sich 96 aus der finanziellen Notlage befreien. Am Freitag folgt die Mitgliederversammlung, auf der Claassens Konzept zur Abstimmung steht. Der Vorstandschef verließ das Stadion fünf Minuten vor Spielschluß. Gerber diskutierte noch lange nach dem Ende der Partie mit Akteuren und Promis. Für den entlassenen Manager war es ein Heimspiel, für Claassen ein Auswärtsspiel. Gestern teilte der Klubchef mit, er wolle Gerber wegen Hausfriedensbruch anzeigen.

(Quelle: Neue Presse, 22.09.97)

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