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Mit dem 3:1-Erfolg über Energie Cottbus hat der VfL Osnabrück am zurückliegenden Wochenende seine Spitzenposition in der 3. Liga gefestigt. Innerhalb von wenigen Monaten hat der 17. der Vorsaison den Wandel vom Abstiegskandidaten zum Aufstiegsaspiranten vollzogen. Entscheidenden Anteil daran haben Sportdirektor Benjamin Schmedes und Trainer Daniel Thioune, die zur neuen Saison eine komplett neue Mannschaft zusammengestellt haben.
Im „Interview des Monats“ der Dezember-Ausgabe des Fußball-Journal Niedersachsen, die aktuell über nfv.de online abrufbar ist, spricht Daniel Thioune nicht nur über die Gründe des aktuellen Erfolgs. Zudem äußert sich der in Osnabrück aufgewachsene Sohn eines Senegalesen zu der jüngst von Jerome Boateng angestoßenen Debatte über neu aufflackernden Rassismus in Deutschland. „In Osnabrück ist mir nie offener Rassismus begegnet“, sagt Thioune, der aber außerhalb seiner Heimatstadt mit abwertenden Äußerungen gegenüber Menschen mit dunkler Hautfarbe konfrontiert wurde. Des Weiteren spricht der Fußball-Lehrer (seit 2016) über seine eigene Karriere und ehemalige Mitspieler wie Marco Reus und Kevin Großkreutz. Beide machten an der Seite von Kapitän Thioune bei Rot Weiss Ahlen ihre ersten Schritte im Profifußball.
Herr Thioune, vor der Saison hat der „kicker“ in seinem Sonderheft geschrieben, dass die Vision von der 2. Liga beim VfL kein kurzfristiges Ziel mehr ist. Mal ehrlich, mit welchen Erwartungen sind Sie in die Saison gegangen?
Wenn es weiter so läuft, könnte am Ende der Aufstieg stehen.
Sie wissen wie Aufstieg geht, haben die B- und A-Junioren des VfL in die Bundesliga geführt. Haben Sie in Ihrem Vertrag eine Aufstiegsprämie vereinbart?
Seit November 2017 sind Sie Cheftrainer des VfL. In einem Ihrer ersten Interviews haben Sie gesagt, „letztlich geht es nicht darum, in welchem System und in welcher Grundordnung wir agieren, sondern darum, uns an Prinzipien zu orientieren.“ Welche sind das?
Ein weiteres Zitat lautete: „Das Spiel gegen den Ball ist das einfache, die Herausforderung ist das Spiel mit dem Ball.“ Wie sieht das anteilig in den Trainingseinheiten aus? Üben Sie mehr das Spiel mit oder das Spiel gegen den Ball?
Sie haben die Neuzugänge angesprochen und damit die vorzügliche Osnabrücker Einkaufspolitik. Gleich sechs wurden auf Anhieb Stammspieler. Wie sah das Zusammenspiel mit Sportdirektor Benjamin Schmedes aus? Kam er auf sie zu und hat gefragt: „Was hältst Du von diesem oder jenen Spieler?“ Oder handelt es sich um Spieler, die Sie auf dem Zettel hatten und Ihren Sportdirektor dann gebeten haben, zu schauen, ob diese Transfers umsetzbar sind?
zudem auf den einen oder anderen Spieler gestoßen, der in seinem Verein vielleicht unterbewertet wurde. Wie David Blacha, Kapitän Wehen Wiesbaden, der in der letzten Saison im zentralen Mittelfeld nicht auf die von ihm gewünschte Spielzeit gekommen ist. David kenne ich schon seit über zehn Jahren, weil ich mit ihm in Ahlen noch ein halbes Jahr zusammengespielt habe. Er war genauso auf dem Markt wie ein Ulrich Taffertshofer von Unterhaching. Ein Spieler mit sehr, sehr viel Ballqualität, der ein wichtiges Regulativ im Mittelfeld ist.
In fünf von 16 Spielen hat der VfL in der Nachspielzeit getroffen. Ist dies nur Zufall?
Ein Schlüsselmoment dürfte das erste Saisonspiel gegen Würzburg gewesen sein, als Farrona Pulido in der 93. Minute den 2:1-Siegtreffer erzielte.
Ein Erfolgsgarant ist Marcos Alvarez. Im Sommer soll er von Ihnen eine klare Ansage bekommen haben. Wie sah die aus?
Waren Sie als Spieler auch ein Exzentriker?
Als Stürmer und Mittelfeldspieler haben Sie in der 2. Liga 126 Spiele für den VfL Osnabrück, VfB Lübeck und Rot-Weiß Ahlen bestritten. Hinzu kommen 191 Drittligaeinsätze. Dabei sind Sie ein Spätentdeckter.
Lag es an Ihrer Einstellung oder Lebenswandel?
Volker Schock wollten eine komplett neue Mannschaft aufbauen mit drei Talenten aus der Region. Ich gehörte dazu.
Haben Sie anschließend aus Ihrer Profikarriere alles herausgeholt?
Forderung des VfL bzw. an dem, was Assauer für mich bezahlen wollte.
Haben Sie das sehr bedauert?
Sie gingen zum VfB Lübeck, blieben dort zwei Jahre, ehe Sie 2004 einen Vertrag bei Rot-Weiß Ahlen unterschrieben. Dort waren Sie in der Saison 2007/08 Kapitän einer Mannschaft, in der Marco Reus seine ersten Schritte im Profifußball tätigte. War sein besonderes Talent schon erkennbar?
War Reus der beste Mitspieler Ihrer Karriere?
Deutschlands „Fußballer des Jahres“ werden würde, war aber nicht abzusehen. Einer der größten Fußballer, die ich
je kennenlernen durfte, war Vladimir Jugovic. Wir haben ein halbes Jahr in Ahlen zusammengespielt, da war er 34. Er hatte zuvor mit Roter Stern Belgrad und Juventus Turin die Champions League gewonnen und auch sonst als Spieler alles gesehen: Inter Mailand, Monaco, Atletico Madrid. Bei Juve soll er der Wasserträger von Zidane gewesen sein. Also, wenn er der Wasserträger war, dann weiß ich nicht, wie gut Zidane gewesen sein muss.
Wie Reus wechselte auch Kevin Großkreutz im B-Jugendalter von Dortmund nach Ahlen und kam bei Rot-Weiß zu seinen ersten Profieinsätzen. Der spätere Weltmeister gilt so ein bisschen als „Enfant terrible“ der Fußballszene. War er ein leicht zu führender Spieler?
2008 sind Sie zusammen mit Reus und Großkreutz in die 2. Liga aufgestiegen, wo sie sich aber bereits am 8. Spieltag in Kaiserslautern den Mittelfuß gebrochen haben. Der Anfang vom Ende Ihrer Karriere.
13 Spieltagen noch kein Spiel gewonnen, ich war erst zwei Wochen wieder im Training, als Trainer Christian Hock
mich vor dem Aachen-Match zur Seite nahm und sagte: „Du bist der Kapitän, willst du spielen?“ Natürlich wollte ich
und dann haben wir zum ersten Mal in der Saison gewonnen (2:0; d. Red.) – und ich stand 90 Minuten auf dem Platz. Das war für mich der Moment, in dem ich es allen noch einmal gezeigt hatte. Wahrscheinlich der schönste in meiner Karriere.
Vier Wochen später war dann aber Schluss.
Welcher Ihrer Trainer hat Sie in Ihrem Fußballverständnis am meisten geprägt?
Über Hecking sollen Sie gesagt haben: „Er war der Erste, bei dem ich Fußball als komplexes System begriffen habe.“
Für das Spiel gegen Werder (das Zweitligist Lübeck 2004 gegen den späteren Doublesieger in der Verlängerung mit 2:3 verlor; d. Red.) hat er unser System auf ein 3-4-3 umgestellt. Das passte optimal zur Bremer Spielweise und war sicherlich ein Grund dafür, warum wir es denen so schwer gemacht haben. Wir haben zwei Mal geführt – gegen die beste Bremer Mannschaft der letzten 20 Jahre mit Ailton, Micoud oder Fabian Ernst.
In der ersten Ausgabe seines Magazins „Boa“, das kürzlich auf den Markt gekommen ist, spricht Jerome Boateng über die Themen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Er berichtet zum Beispiel, wie er als Zehnjähriger bei Spielen von gegnerischen Eltern bespuckt und beleidigt wurde. Wie haben Sie Rassismus erlebt?
hinter meinem Rücken, aber wie gesagt, ohne dass ich es gemerkt habe. Ich muss auch sagen, dass ich mich nie großartig anders gefühlt habe als die anderen Kinder. Sicherlich gab es Situationen beim Bäcker, wo die Verkäuferin
mich gefragt hat, ob ich Deutsch spreche oder bewusst deutlich langsamer gesprochen hat. Aber das habe ich nicht als Diskriminierung empfunden. Außerhalb meines Osnabrücker Kreises war das allerdings anders.
Inwiefern?
total irritierend. Und natürlich erinnere ich mich auch an Gesänge, die auf meine Hautfarbe und darauf abzielten, mich zu verletzen. In solchen Momenten kroch ein Unwohlsein in mir hoch, das ich zuvor so noch nie gefühlt hatte.
Dass dunkelhäutige Spieler mit Bananen beworfen werden oder Affenlaute erklingen, wenn sie am Ball sind, war in den 80er und 90er Jahren keine Seltenheit in deutschen Stadien, nicht nur im Osten. Danach veränderte sich das Klima im Land und in den Stadien. Jetzt hat Boateng Angst vor einem neu aufflackernden Rassismus in Deutschland. Teilen Sie diese Angst?
Zur Person.
Daniel Thioune, Jahrgang 1974, wurde in Georgsmarienhütte geboren, wuchs aber im angrenzenden Osnabrück auf. Mit sechs Jahren begann der Sohn eines senegalesischen Vaters und einer deutschen Mutter mit dem Fußballspielen beim DJK Rasensport Osnabrück. Der Osnabrücker SC, wieder Raspo und der Post SV Osnabrück waren weitere
Stationen in seiner Jugendzeit. Bei den Herren kickte er zunächst mit dem Post SV in der Kreisliga, bevor er über den Verbandsligisten Sportfreunde Oesede 1996 den Sprung zum VfL Osnabrück schaffte. Für die Lila-Weißen bestritt er bis 2002 in der 2. und 3. Liga 170 Spiele (52 Tore). Mit dem VfB Lübeck (2002-04) stand er im DFB-Pokalhalbfinale.
Rot-Weiß Ahlen, wo er seine Profikarriere Ende 2009 mit 35 Jahren beendete, führte Thioune 2008 als Kapitän in die 2. Liga. Nach der Laufbahn ließ er sich zum Sportfachwirt ausbilden und begann ein Studium Erziehungswissenschaften und Sport) in Vechta, das er im aktuellen Semester mit der Bachelorarbeit abschließen will. Sein ehemaliger Mitspieler Joe Enochs holte ihn 2012 zurück zum VfL. Dort wirkte er als Trainer im U-Bereich und sportlicher Leiter des Nachwuchsleistungszentrums. Die B-Junioren (U 17) des VfL führte er 2015 ebenso in die Bundesliga wie 2016 die A-Junioren (U 19). Im selben Jahr absolvierte er an der Hennes-Weisweiler-Akademie in Hennef die Ausbildung zum Fußball-Lehrer. Zu seinem Jahrgang gehörten u.a. Domenico Tedesco (heute Schalke 04) und Julian Nagelsmann (Hoffenheim). Im Oktober 2017 übernahm Thioune die VfL-Profis zunächst interimsweise, ehe er am 8. November zum Cheftrainer des Drittligisten ernannt wurde. Daniel Thioune ist verheiratet und hat eine Tochter und einen Sohn.